Hohe Bewertungen, anhaltende Inflationssorgen, vorsichtige Unternehmenslenker und geopolitische Spannungen – irgendwann wird es zu einer Korrektur kommen. Doch vorerst setzen die Märkte ihren Aufwärtstrend fort. Ist es besser, an der Seitenlinie zu warten? Und wenn nicht – welche Anlagen machen in dieser Phase Sinn?
Tanz auf dem Drahtseil: Zeit, aus dem Spiel zu gehen?
Es ist die vielleicht schwierigste Frage, die Anleger umtreibt: Wann kommt der Wendepunkt? Den genauen Zeitpunkt für einen Crash oder rasante Kursgewinne vorherzusagen, gleicht einem Versuch, auf einem Seil zu balancieren – ohne Netz. Und doch häufen sich die Stimmen, die davor warnen, dass die Märkte sich in gefährlich euphorischen Höhen bewegen. “Unter der lange ruhigen Oberfläche lauern weitere Gefahren für die Finanzmärkte. Die Spannungen, welche sich durch jahrzehntelange Nullzins-Politik aufgebaut haben, sind noch nicht gelöst”, warnte unlängst Quantex Fondsmanager Peter Frech in seinem Anlegerbrief.
Blickt man auf den US-Leitindex S&P 500, sind die Zahlen verlockend: Mehr als 20 Prozent Gewinn im Jahr 2024, seit Anfang 2023 sogar ein Plus von rund 50 Prozent, sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass eines sicher ist: Eine Korrektur kommt – die Frage ist nur, wann und wie heftig.
S&P 500 im Fokus: Gewinnprognosen und die Auswirkungen auf den Markt
Die anstehenden Quartalszahlen der größten Unternehmen werden dabei eine entscheidende Rolle spielen. Analysten erwarten für die S&P 500-Konzerne ein durchschnittliches Gewinnwachstum von rund fünf Prozent. In dieser Woche präsentieren rund 40 Firmen des Index ihre Geschäftszahlen, darunter Schwergewichte wie Goldman Sachs und Bank of America. Sollten die Zahlen enttäuschen, könnte es zu Kursverlusten kommen, zumal der Index mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 21 bereits hoch bewertet ist.
Interessant ist, dass viele Unternehmenslenker trotz der positiven Marktentwicklung skeptisch bleiben. Laut der Plattform Insider Sentiment sind die Aktienkäufe von Managern im Sommer auf ein Zehnjahrestief gefallen. Da Manager oft einen besseren Einblick in die tatsächliche Lage ihrer Unternehmen haben, wird dieser Indikator von einigen Marktteilnehmern als aussagekräftig angesehen. Wenn Führungskräfte mit eigenem Geld in ihre Unternehmen investieren, wird dies als positives Signal gewertet.
Warum die Rallye läuft: Die Hoffnung auf eine weiche Landung
Treiber der Aktienrallye ist vor allem die Aussicht auf eine „weiche Landung“ der US-Wirtschaft. Sollte es der Fed gelingen, die Inflation auf zwei Prozent zu drücken, ohne die Konjunktur abzuwürgen, wäre dies für viele Anleger ein starkes Signal. Immerhin entfallen fast zwei Drittel der weltweiten Börsenkapitalisierung auf die USA. Läuft die Wirtschaft dort stabil, könnten sich auch europäische Anleger entspannt zurücklehnen – wenn sie global diversifiziert sind.
Die unterschätzten Gefahren: Kommt der Sturm doch noch?
Allerdings gleicht die Weltwirtschaft einer stürmischen See, in der immer wieder dunkle Wolken am Horizont aufziehen können. Geopolitische Risiken wie der Ukraine-Konflikt und die Nahost-Krise lassen die Märkte zwar noch kalt. Aber das kann sich ändern, Sorglosigkeit hat ihre Grenzen. Sicher ist, dass die Märkte derzeit viele Risiken ausblenden. Zum Beispiel den Nahen Osten. Sollten sich die Spannungen weiter verschärfen und zu einem globalen Konflikt führen, wäre ein Anstieg der Ölpreise – und damit eine neue Inflationswelle – so gut wie sicher. Die Hoffnungen auf weitere Zinssenkungen könnten sich dann schlagartig zerschlagen.
Auch andere politische Unsicherheiten wie die US-Wahlen können schnell zu heftigen Ausschlägen führen. „Wenn ich nicht gewählt werde, wird es ein Blutbad geben“, tönte Donald Trump im Wahlkampf. Ob er damit nur die politischen Auseinandersetzungen oder auch die wirtschaftlichen Folgen meinte, bleibt unklar.
Heißt das aber, dass wir jetzt in Panik verkaufen sollten? Keineswegs.
Defensive Werte auf dem Vormarsch: Wo Anleger Sicherheit finden
Eine gezielte Sektorauswahl könnte eine Antwort auf die turbulenten Märkte sein. Obwohl die Freude über mögliche Zinssenkungen groß ist, zeigen sich bereits erste Anzeichen einer veränderten Risikobereitschaft der Anleger. Dies lässt sich gut an den unterschiedlichen Renditen der einzelnen Branchen ablesen. Wie die makroökonomischen Daten gibt auch die relative Performance der Sektoren wichtige Hinweise darauf, wie die Konjunktur läuft und wie die Anleger reagieren. Während konjunkturelle Abschwünge den Markt in Mitleidenschaft ziehen, erweisen sich einige Branchen als vergleichsweise stabil.
Der Unterschied liegt hier zwischen zyklischen und defensiven Sektoren. Sektoren wie Gesundheit, Basiskonsumgüter und Versorger gelten als defensiv, da ihre Erträge weniger stark schwanken als in zyklischen Sektoren wie Technologie, Banken oder Konsumgüter. Ein Blick auf das Jahr 2022 zeigt diese Dynamik deutlich: Während Technologie-ETFs fast ein Drittel ihres Wertes verloren, konnten sich die defensiveren Sektoren gut behaupten. Vor allem Unternehmen aus dem Basiskonsumsektor boten in unsicheren Zeiten verlässliche Stabilität – ein Muster, das sich auch in der aktuellen Situation abzeichnet.
Fondsmanager Peter Frech betont, dass die entsprechenden Aktien derzeit nicht überbewertet seien: „Die Kehrseite der Furchtlosigkeit zeigt sich in der nach wie vor niedrigen Bewertung von traditionell rezessionsresistenten Aktien aus stabilen Branchen wie Nahrungsmittel, Gesundheit und Versorger. Laut den Datenbanken von Empirical Research, die bis 1952 zurückreichen, liegt die relative Bewertung von Konsumgüteraktien (Consumer Staples) derzeit im neunten Perzentil. Das bedeutet, dass diese Aktien im Vergleich zum Gesamtmarkt nur in 10 Prozent der Fälle billiger waren als heute.”
Die Depotstrategie: Klug diversifizieren und Risiken abfedern
Eine geschickte Kombination verschiedener Fonds und ETFs, die nicht nur auf kurzfristige Marktentwicklungen setzen, ist für ein solides Depot in diesem Umfeld unerlässlich. Korrelation ist hier das Stichwort: Ein Portfolio sollte aus Anlagen bestehen, die sich unabhängig voneinander entwickeln, um das Gesamtrisiko zu minimieren. Steigt eine Position, während eine andere fällt, bleibt die Wertentwicklung des Depots stabiler.
Auch defensive Fonds oder ETFs bieten in Zeiten hoher Unsicherheit einen Puffer. Anleger sollten jedoch darauf achten, nicht nur Branchen zu mischen, sondern auch global zu diversifizieren. Der Fokus vieler Anleger liegt oft auf den USA, aber auch europäische und asiatische Märkte bieten Stabilität – vielleicht gerade dann, wenn sich die Lage in den USA verschlechtert.
Defensive Depotstrategien:
Fazit: Strategische Sektorauswahl in unsicheren Zeiten
Angesichts der aktuellen Marktgegebenheiten und der drohenden Risiken ist es für Anleger entscheidend, strategisch zu investieren. Hohe Bewertungen, Inflation und geopolitische Spannungen könnten auf eine bevorstehende Korrektur hindeuten, während die Märkte vorerst weiter steigen. Defensive Sektoren wie Gesundheit, Basiskonsumgüter und Versorger erweisen sich in Abschwungphasen traditionell als stabiler. Der Fokus auf defensive Fonds und ETFs, die sich auf diese Sektoren konzentrieren, kann Anlegern helfen, ihr Portfolio in turbulenten Zeiten zu schützen und gleichzeitig von langfristigen Wachstumstrends zu profitieren. Eine kluge Diversifikation, sowohl geografisch als auch sektoral, bleibt unerlässlich, um Risiken abzufedern und Chancen zu nutzen.
Disclaimer:
Keine Anlageberatung. Kein Aufruf zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren.
Über den Autor
Sven wurde 1969 in Suhl/Thüringen geboren. Er beschäftigt sich bereits seit den 1990er-Jahren mit den Finanzthemen, Wirtschaft und Investmentfonds. Er investiert selbst seit vielen Jahren in aktiv gemanagte Fonds und profitiert von zahlreichen Kontakten in der Branche sowie regelmäßigen Gesprächen mit renommierten Portfoliomanagern. Sven ist hauptberuflich Fondsanalyst bei der GSR GmbH.
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