Welche Aktien und ETFs empfiehlt ChatGPT?

Welche Aktien empfiehlt uns die KI im Test? (Bild: Solen Feyissa @Unsplash)

Künstliche Intelligenz als Anlageberater? Was vor wenigen Jahren noch wie Science-Fiction klang, ist heute Realität.

Wir haben ChatGPT nach konkreten Aktien- und ETF-Empfehlungen gefragt und tatsächlich eine detaillierte Liste mit Rankings, Begründungen und sogar Gewichtungsvorschlägen bekommen. Aber können Sie einer KI wirklich Ihr Geld anvertrauen? Wir schauen uns die Empfehlungen genau an und prüfen, ob die künstliche Intelligenz sinnvolle Tipps gibt – oder ob Sie besser die Finger davon lassen sollten.

Gleich vorweg: ChatGPT betont selbst, keine persönliche Anlageberatung geben zu dürfen. Was die KI liefert, sind „allgemeine Standard-Bausteine“ für ein langfristiges Portfolio. Das klingt vernünftig, aber schauen wir mal, was dahintersteckt.

Welche Aktien empfiehlt uns ChatGPT?

Die KI präsentiert uns vier konkrete Einzelaktien als „Watchlist-Ideen“ – mit dem deutlichen Hinweis, dass es sich nicht um Kaufaufforderungen handelt. Die Auswahl ist interessant und zeigt, dass ChatGPT durchaus aktuelle Markttrends versteht.

Microsoft als erste Wahl überrascht wenig. Die KI argumentiert mit Azure und der KI-Plattform Copilot – quasi empfiehlt hier die Technologie sich selbst. Der Konzern ist tatsächlich gut positioniert, aber mit einem KGV von über 30 auch nicht gerade günstig bewertet. ChatGPT erwähnt solche Bewertungsdetails interessanterweise nicht.

ASML ist die spannendste Empfehlung der Liste. Der niederländische Konzern hat tatsächlich eine monopolartige Stellung bei den Maschinen für die modernsten Chips. ChatGPT nennt das treffend „Picks & Shovels im Halbleiter-Zyklus“. Aber die Aktie ist extrem volatil und hängt stark vom Chip-Zyklus ab – nichts für schwache Nerven.

Nestlé wirkt wie die Pflichtübung für konservative Anleger. „Stabiler Cashflow und Dividenden“ schreibt die KI. Stimmt, aber die Aktie dümpelt seit Jahren vor sich hin. Die Margen stehen unter Druck, und das Wachstum ist bescheiden. Hier zeigt sich, dass ChatGPT eher auf bekannte Namen setzt als auf unterbewertete Perlen.

LVMH rundet die Liste ab. Die KI argumentiert mit „Strukturwachstum im Luxus“ und „hohen Margen“. Das stimmt langfristig, aber Luxusaktien sind hochzyklisch. Wenn die Wirtschaft schwächelt, brechen hier die Gewinne ein. ChatGPT erwähnt diese Risiken nur am Rande.

Die KI empfiehlt maximal 10 Prozent des Portfolios in Einzelaktien zu investieren, mit höchstens 2-3 Prozent pro Titel. Das ist vernünftig und zeigt, dass ChatGPT die Grundregeln der Diversifikation versteht. Aber die Aktienauswahl selbst ist wenig originell – es sind die üblichen Verdächtigen, die Sie in jeder Finanzzeitung finden.

Welche ETFs empfiehlt uns ChatGPT?

Bei den ETFs wird ChatGPT deutlich konkreter und liefert eine durchdachte Rangfolge mit acht Produkten. Die KI unterscheidet zwischen „Core“ (Basis) und „Satellites“ (Ergänzungen) – das ist professionell gedacht.

Der Vanguard All-World als Nummer eins ist eine solide Wahl. Mit einem ETF decken Sie über 3.700 Aktien weltweit ab – einfacher geht’s nicht. Die Kosten von 0,19 Prozent sind fair, und der ETF ist thesaurierend, was steuerlich oft vorteilhaft ist. ChatGPT nennt das eine „1-ETF-Lösung“, und da hat die KI recht.

Interessant wird es bei der Alternative: MSCI World plus Emerging Markets getrennt. ChatGPT argumentiert, dass Sie so mehr „Feintuning“ machen können. Stimmt, aber für die meisten Privatanleger ist das unnötige Komplexität. Die KI erwähnt auch nicht, dass Sie dann zwei Transaktionskosten haben und das Rebalancing aufwendiger wird.

Der S&P 500 als „Satellite“ für einen „US-Tilt“ zeigt, dass ChatGPT aktuelle Trends versteht. US-Tech dominiert die Märkte, und mit nur 0,07 Prozent Kosten ist der ETF spottbillig. Aber die KI warnt nicht deutlich genug vor der Konzentration: Die Top 10 Aktien machen fast 30 Prozent des Index aus.

ChatGPT empfiehlt 80-100 Prozent in Core-ETFs und maximal 20 Prozent in Satellites zu investieren. Das ist lehrbuchmäßig und vernünftig. Die KI schlägt sogar vor, Käufe zu staffeln und einen Sparplan einzurichten – bessere Tipps würde auch ein menschlicher Berater nicht geben.

Wie sinnvoll sind die Anlageempfehlungen von der KI?

Die Empfehlungen von ChatGPT sind technisch korrekt und folgen den Grundprinzipien moderner Portfoliotheorie. Diversifikation, niedrige Kosten, langfristiger Anlagehorizont – alles richtig. Aber genau hier liegt auch das Problem: Es ist zu lehrbuchmäßig.

Die KI liefert Mainstream-Empfehlungen ohne echte Überraschungen. Microsoft, Nestlé, MSCI World – das sind die Standardantworten, die Sie überall bekommen. ChatGPT analysiert keine Bewertungen, keine Fundamentaldaten, keine technischen Indikatoren. Die KI weiß nicht, ob Microsoft gerade überbewertet ist oder ob Nestlé vor Problemen steht.

Was völlig fehlt, sind Timing-Überlegungen. Die KI sagt nicht, ob jetzt ein guter Zeitpunkt zum Einstieg ist. Nach einem Börsenjahr 2024 mit zweistelligen Gewinnen könnte eine Korrektur bevorstehen – darauf geht ChatGPT nicht ein. Die Empfehlung, in Tranchen zu kaufen, ist die einzige Konzession ans Timing-Risiko.

Auch die Risikobetrachtung ist oberflächlich. ChatGPT erwähnt zwar „höhere Schwankungen“ bei Einzelaktien, aber was bedeutet das konkret? ASML kann mal eben 30 Prozent verlieren, wenn der Chip-Zyklus dreht. LVMH halbiert sich in Rezessionen. Diese Risiken werden nicht quantifiziert.

Die größte Schwäche: ChatGPT kennt Ihre persönliche Situation nicht. Sind Sie 25 oder 65? Haben Sie 10.000 oder 100.000 Euro? Brauchen Sie das Geld in zwei oder in zwanzig Jahren? Ohne diese Informationen sind alle Empfehlungen nur Schüsse ins Blaue.

Positiv ist, dass ChatGPT transparent mit seinen Grenzen umgeht. Die KI betont mehrfach, keine Anlageberatung zu sein und listet Quellen auf. Das ist seriöser als manche menschlichen „Experten“ in sozialen Medien.

Fazit: „ChatGPT liefert solide Basisbildung, aber ersetzen kann es echte Finanzberatung nicht“

Die Anlageempfehlungen von ChatGPT sind wie ein gutes Lehrbuch: fundiert, strukturiert und für Anfänger lehrreich. Die vorgeschlagenen ETFs sind tatsächlich sinnvolle Bausteine für ein langfristiges Portfolio, und die Gewichtungsvorschläge folgen bewährten Prinzipien. Wer noch nie investiert hat, bekommt hier einen vernünftigen Startpunkt.

Aber mehr ist es auch nicht. Die KI liefert Standardlösungen ohne individuelle Würze. Die Aktienauswahl ist uninspiriert, die Risikobetrachtung oberflächlich, und aktuelle Marktbewertungen spielen keine Rolle. ChatGPT ist wie ein Kochbuch, das Ihnen sagt, welche Zutaten Sie brauchen – aber nicht, ob die Tomaten gerade gut oder schlecht sind.

Nutzen Sie ChatGPT gerne als ersten Ideengeber und zum Lernen der Grundlagen. Die ETF-Empfehlungen sind durchaus brauchbar für ein simples Buy-and-Hold-Portfolio. Aber verlassen Sie sich nicht blind darauf. Prüfen Sie aktuelle Bewertungen, berücksichtigen Sie Ihre persönliche Situation und holen Sie sich im Zweifel professionellen Rat. Die KI ist ein Werkzeug, kein Ersatz für eigenständiges Denken.