Frankfurt am Main – Die Wirtschaft im Euroraum ist fragil. Auch von der US-Wahl gehen Risiken aus, meinen Ökonomen laut Bloomberg-Umfrage. Die Europäische Zentralbank bleibt in der aktuellen Lage vorsichtig: Der EZB-Rat hat heute wie erwartet entschieden, die Euro-Leitzinsen nicht zu verändern.
Der binnenwirtschaftliche Preisdruck sei weiter hoch, der Preisauftrieb bei den Dienstleistungen sei erhöht und die Gesamtinflation dürfte bis weit ins nächste Jahr über dem Zielwert bleiben, heißt es im heutigen Statement der Notenbanker. Man lege sich nicht auf einen bestimmten Zinspfad fest.
Aktuelle Leitzinssätze im Euroraum – Inflation bei 2,5 Prozent
Nach dem ersten Zinsschnitt von 0,25 Prozent im Juni steht der für Sparer wichtige Einlagenzinssatz weiter bei 3,75 Prozent. Der Hauptrefinanzierungssatz beträgt 4,25 Prozent – zu diesen Konditionen können sich Banken kurzfristig Geld leihen. Der Spitzenrefinanzierungssatz liegt momentan bei 4,5 Prozent.
Möglich gemacht hat die erste Zinssenkung seit 2019 der Preistrend: Mit 2,5 Prozent im Juni hat sich die Teuerungsrate dem Inflationsziel von 2 Prozent mittlerweile angenähert. Die EZB hatte die galoppierende Inflation (Höchstwert 10,6 Prozent) seit Juli 2022 mit 10 Zinserhöhungen eingedämmt.
Fed und BoE zögern noch – Lohnzuwachs und Konjunkturschwäche
Die EZB ist bei der Zinswende vorangegangen, in den USA und Großbritannien steht sie noch aus. Die Märkte erwarten die erste Zinssenkung der Fed (derzeit 5,25 bis 5,5 Prozent) im September. Und die Bank of England beließ im Juni den Leitzins bei 5,25 Prozent – trotz starken Inflationsrückgangs auf 2 Prozent.
Ist die Euro-Inflation im Griff? Zur Vorsicht mahnt starkes Lohnwachstum, robuster Arbeitsmarkt und der Preisauftrieb im Dienstleistungsbereich. Für Entspannung sprechen dagegen jüngste Daten zu Konjunktur und Verbrauchervertrauen: Die wirtschaftliche Erholung könnte sich abschwächen.
Prognose: 3 Zinssenkungen 2025 – Zinsschritt der Fed als Signal
Wie geht es 2024 weiter mit dem Euro-Leitzins? Von Reuters im Juli befragte Volkswirte erwarten mit 80-Prozent-Mehrheit bis Ende des Jahres 2 Zinssenkungen der EZB: im September und Dezember. Bei 2 Schritte um je 0,25 Prozent würde der Einlagenzinssatz zum Jahreswechsel bei 3,25 Prozent liegen.
Weiter hohen Preisdruck erwarten die Umfrageteilnehmer vor allem im Dienstleistungssektor. Für 2025 rechnen die von Reuters befragten 85 Ökonomen im Mittel mit 3 weiteren EZB-Zinssenkungen. Bei Schritten von 25 Basispunkten ginge der Einlagenzins dann bis Ende 2025 auf 2,5 Prozent zurück.
Der Zinsschritt im September sei noch nicht sicher, meint ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Aber: „Eine erste Zinssenkung der Fed im September vor der EZB-Sitzung sowie ein schwächer werdender Wachstumsausblick könnten die September-Senkung in den nächsten Wochen noch zementieren.“
Aktualisiert nach Bekanntgabe der Zinsentscheidung am 18. Juli 2024 um 14.30 Uhr (MESZ)
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