Private Schulden: Leichter Rückgang, Energieschock droht

Neuss – Wie die nächste Stromrechnung zahlen, wie den Mietrückstand aufholen? 5,88 Millionen Menschen in Deutschland sind überschuldet. Die Überschuldungsfälle gingen 2022 wieder leicht zurück, so der gestern veröffentlichte aktuelle Schuldner-Atlas des Bonitäts- und Inkassodienstes Creditreform.

Die Überschuldungsquote sank laut Creditreform im Vergleich zu 2021 um 0,38 Punkte auf nun 8,48 Prozent. Das ist derzeit der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland. 2,94 Millionen Haushalte gelten als überschuldet und nachhaltig zahlungsgestört.

Corona hat Überschuldung reduziert

Die Zahlen seien aber mit Vorsicht zu genießen, warnt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Seit Corona gingen die Überschuldungsfälle in starkem Maße zurück. Die Leute geben in der Krise weniger aus und staatliche Hilfen schützen viele Bürger.

„Der Rückgang überschuldeter Personen verlangsamt sich jedoch bereits“, sagt Hantzsch. Für die nächsten Monate erwartet er eine Trendwende. Die anhaltend hohe Inflation und insbesondere die ansteigenden Energiekosten hätten die Verbraucher bisher noch nicht vollständig erreicht.

Egal ob jung oder alt, Frau oder Mann – die Überschuldung ging 2022 in allen Altersgruppen und geschlechtsübergreifend zurück. Allerdings: Bei Menschen ab 60 Jahren ist die Quote nur wenig gesunken. „Altersarmut und Altersüberschuldung gehen Hand in Hand“, sagt Michael Goy-Yun, Geschäftsführer von Creditreform Boniversum und dem Datenanalysten microm. Er spricht von einer Zeitenwende bei Überschuldung.

Energiepreisschock droht 2023

Nun droht 2023 der Energiepreisschock: Creditreform hat berechnet, dass 19 Prozent der deutschen Haushalte Probleme bekommen können, Rechnungen für Strom, Wasser, Gas oder Wärme sofort zu begleichen. Die Energiepreise werden für viele eine finanzielle Überforderung, sagt Goy-Yun.

Ost und West gleichen sich weiter an, zumindest in Sachen Überschuldung. In beiden Teilen Deutschlands sei die Zahl der Überschuldungsfälle 2022 auf ähnlichem Niveau gesunken. Allesamt in Bayern liegen die fünf Kommunen mit der niedrigsten Überschuldungsquote. Die höchsten Quoten weisen Bremerhaven, Gelsenkirchen, Pirmasens, Neumünster und Herne auf.

Schuldnerberatung bietet kostenlos Hilfe

Welche Typen von Überschuldung gibt es? Das Datenanalyse-Unternehmen microm, das zur Creditreform-Gruppe gehört, hat eine Überschuldungstypologie entwickelt. Sie verdichtet unterschiedliche Formen, Intensitäten und Ausprägungen der Überschuldung in acht Typen.

Übrigens: Viele Schuldnerberatungen sind in Deutschland kostenlos. Betroffene können sich etwa an die Caritas oder die AWO wenden. Suchen Sie sich so früh wie möglich Hilfe bei einer professionellen Schuldnerberatung. Sie unterstützt bei der Bestandsaufnahme, kontaktiert Gläubiger und führt Verhandlungen, um eine Privatinsolvenz häufig abzuwenden.