Mit der Einführung von Ethereum im Jahr 2014 als erste Plattform für dezentrale Anwendungen ist ein neuer Zukunftsmarkt im Bereich der Kryptowährungen entstanden. Die Anwendungsfälle umfassen heute unter anderem dezentrale Datenspeicherung, Identitäts- und Reputationssysteme, Decentralized Finance (DeFi) und Decentralized Autonomous Organizations (DAOs). Bei letzterem laufen bestimmte Anwendungen dank sogenannter Smart Contracts großteils autonom ab, also ohne menschliches Mitwirken und somit ohne das Risiko von Zensur, Manipulation oder Ausfallzeiten. DAOs sind heute ein wichtiger Pfeiler der Krypto-Ökonomie und liefern völlig neue Möglichkeiten für dezentrale Entscheidungsfindung.
Bekannt wurde das Konzept einer DAO mit dem Launch von “The DAO” im Jahr 2016, ein kurzlebiger Versuch, eine DAO für Fundraising und Venture Capital auf der Ethereum-Blockchain zu schaffen. Wenige Tage nach dem Start wurden durch einen Fehler im Code von “The DAO” 3,6 Millionen Ether gestohlen. Der Hack führte zu einer großen Diskussion innerhalb der Ethereum Community darüber wie damit umgegangen werden soll. Schlussendlich kam es zu einem sogenannten Hard Fork – der Spaltung der Blockchain in Ethereum und Ethereum Classic.
Seit dem Hack hat sich eine vielfältige Landschaft an DAOs mit verbesserten Konzepten und weiteren Anwendungsfällen entwickelt. Heute partizipieren schätzungsweise mehr als 978.000 Personen in über 4.832 verschiedenen DAOs. Insgesamt werden von DAOs über 10 Milliarden US-Dollar verwaltet (Stand Juni 2022). Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 607 Millionen US-Dollar – ein Wachstum von über 1.500% innerhalb eines Jahres.
Aufbau von DAOs
Eine DAO basiert technisch gesehen auf einem Peer-to-Peer Netzwerk (P2P Netzwerk), einer Kommunikationsart zwischen Computern ohne Zwischenstationen. Die Organisationsmitglieder sind weltweit direkt miteinander und ohne jegliche Hierarchie verbunden. Die asymmetrische Verschlüsselung und der Zeitstempel der Blockchain-Technologie gewährleisten Sicherheit und vollständige Transparenz, was die Blockchain zum aktuell wichtigsten Teil der technischen Infrastruktur einer DAO macht. Sie bildet das Rückgrat und dient als Koordinationspunkt, um wirtschaftliche Transaktionen und soziale Interaktionen zu steuern.
Wie auch in traditionellen Organisationen müssen innerhalb von DAOs Verträge geschlossen werden, um die Rechte und Interessen von Mitgliedern und die übergreifende Funktion der Organisation sicherzustellen. Smart Contracts führen dabei die Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern automatisch aus. Grundsätzlich definieren die Smart Contracts einer DAO verlässliche Regeln, die die Organisation strukturieren und den Betrieb der Organisation koordinieren. Die Codierung einer DAO wird im Ethereum Whitepaper von Etherum-Co-Founder Buterin vereinfacht als “sich selbst verändernd” beschrieben. Jeder Änderung muss ein vorher definierter Anteil der Mitglieder zustimmen. Basierend auf einem Votingsystem können weitere Abstimmungsmöglichkeiten für Funktionen, wie beispielsweise das Hinzufügen und Entfernen von Mitgliedern oder die Ausgabe von Token ergänzt werden.
Token sind der wichtigste wirtschaftliche Anreiz für Teilnehmer einer DAO. Ein Token ist ein digitales Gut, das als sogenannter Governance Token auch als Stimmrecht gilt. Vergleichbar ist dies mit den Stimmrechten börsennotierter Unternehmen, die den Aktienhaltern des Unternehmens gewährleistet werden, um an Unternehmensentscheidungen zu partizipieren. Jede DAO erstellt und verteilt ihre eigenen Token maßgeschneidert auf ihr Projekt.
Der Wert des Tokens steigt üblicherweise mit der Größe der DAO, was einen wirtschaftlichen Anreiz für die Teilnehmer bringt, Entscheidungen zu treffen, die der gesamten Organisation zugutekommen.
Unterschiede zu traditionellen Organisationen
Im Unterschied zu traditionellen Organisationen sind DAOs durch eine flache Organisationsstruktur geprägt und auf den Gruppenkonsens angewiesen. In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Unterschiede zwischen traditionellen Organisationen und DAOs zusammengefasst.
In einer DAO sind Regeln, Prozessabläufe und Aufgabenteilung der Organisationsmitglieder offen und transparent durch die Smart Contracts auf der Blockchain festgelegt. Mit den auf der Blockchain codierten Rahmenbedingungen verspricht eine DAO, wie auch eine klassische Organisation, eine effiziente Arbeitsteilung, zielführendes Arbeitsverhalten und Verantwortungsbewusstsein der Mitglieder. Dabei werden in DAOs für die Koordinierung organisatorischer Aktivitäten Algorithmen statt menschlicher Akteure eingesetzt. Diese Digitalisierung und Automatisierung von traditionellen Organisationsprozessen ist einer der größten Vorteile von DAOs.
Eine DAO ist so konzipiert, dass eine strategische Entwicklung nur durch eindeutigen Konsens der Organisationsmitglieder, z.B. durch absolute Mehrheit, erreicht wird. Diese konsensbasierte Organisationsform soll das Einbringen von individuellen Ideen und Vorschlägen fördern, aber gleichzeitig sicherstellen, dass die Organisationsziele erreicht werden. Die flache Organisationsstruktur einer DAO gibt jedem Mitglied die Möglichkeit, die Organisation mitzugestalten. Jede innovative Idee kann von jedem vorgestellt und von der gesamten Organisation in Betracht gezogen werden. Jedes Organisationsmitglied kann sich in einem selbstbestimmten Ausmaß in den Bereichen einbringen, in denen es qualifiziert ist. Dadurch können DAOs unserer Einschätzung nach in gewissen Bereichen innovativer und ressourceneffizienter agieren als traditionelle Organisationen.
Kritik
Sicherheitsbedenken, eine unklare Rechtslage und die Brücke zur realen Welt sind einige der Kritikpunkte an DAOs.
Der „The DAO” Hack in 2017 war einer der größten Hacks in der Geschichte von Kryptowährungen und auf einen Fehler im Code zurückzuführen. Dieses Ereignis, das bis heute die Wahrnehmung von DAOs prägt und kritisch diskutiert wird, hat die möglichen Sicherheitsprobleme von DAOs deutlich aufgezeigt. Auch die flache Hierarchie ist ein Kritikpunkt. Manche argumentieren, dass es eine schlechte Idee sei, eine dezentrale Gruppe von Individuen wichtige finanzielle Entscheidungen ohne hierarchische Struktur treffen zu lassen. Außerdem kann durch die Notwendigkeit einer Abstimmung für jede kleine Änderung die Entscheidungsfindung unter Umständen träge werden.
Neben der Rechtsunsicherheit ist das sogenannte Orakel-Problem einer der Gründe, wieso die meisten DAOs aktuell nur innerhalb der Grenzen des Krypto-Ökosystems agieren. Das Orakel-Problem dreht sich um eine sehr einfache Einschränkung: Blockchains können nicht ohne weiteres vertrauenswürdige Daten oder Inputs aus der echten Welt nutzen, da nur Daten innerhalb der Blockchain garantiert kryptografisch abgesichert und fälschungssicher sind. Die Brücke zwischen der Blockchain (On-Chain) und der Außenwelt (Off-Chain) erfordert eine zusätzliche und separate Infrastruktur, die als Orakel bezeichnet wird. Auch wenn an Orakel-Lösungen geforscht wird und sich diese ständig weiterentwickeln, gibt es für zahlreiche Anwendungsfälle von DAOs zurzeit noch keine zufriedenstellende Lösung. Aktuell müssen DAOs für viele Interaktionen mit der physischen Welt auf zentrale Entitäten vertrauen, wodurch Schwachstellen entstehen und die Vorteile der Blockchain-Technologie verloren gehen. Um diese Herausforderung zu überwinden, wird die Integration der Blockchain-Technologie in unseren Alltag und die Weiterentwicklung von Orakel-Protokollen wie Chainlink ausschlaggebend sein.
Anwendungsfälle und Beispiele
DAOs werden für vielfältige Organisationszwecke eingesetzt und unterscheiden sich im Aufbau und der Zielsetzung. Im Folgenden sind ein paar Bereiche mit jeweils einem relevantem Beispiel aufgeführt:
Decentralized Finance
Uniswap: Uniswap ist eine dezentrale Börse, die für den Austausch von Kryptowährungen und Token verwendet wird. Außerdem haben Uniswap-Nutzer die Möglichkeit, durch die Bereitstellung von Liquidität Zinsen zu verdienen. Das dezentrale Finanzprotokoll wird von einer DAO verwaltet und instand gehalten. Dabei wird der Governance Token UNI verwendet, der im Sommer 2020 in Form eines Airdrops an Ethereum Nutzer ausgeschüttet wurde. Die Organisationsmitglieder entscheiden über neue Updates und führen Projekte für die Weiterentwicklung und Verbreitung des Protokolls durch. Die Uniswap DAO hat aktuell über 300.000 Mitglieder und verwaltet Kryptowährungen im Wert von 1,6 Milliarden US-Dollar.
Arbeit und Recruiting
Gitcoin: Gitcoin ist eine Plattform, auf der Programmierer und Entwickler für die Arbeit an Open-Source-Software in einer Vielzahl von Programmiersprachen bezahlt werden können, ähnlich wie UpWork oder Fiverr. Gitcoin nutzt dafür sogenannte Bounties und Hackathons, die die Entwickler erledigen können, um anschließend mit Kryptowährungen entlohnt zu werden. Zudem gibt es seit 2019 sogenannte Grants, bei denen Nutzer eigene Projektideen auf der Plattform einreichen können, um eine Crowdfunding-Finanzierung zu erhalten. Gitcoin ist in diesem Bereich aktuell die größte DAO mit über 20.000 Mitgliedern und mehr als 300.000 monatlich aktiven Entwicklern. Seit dem Launch im November 2017 hat Gitcoin über 60 Millionen US-Dollar Funding über die Plattform organisiert.
Investments
BitDAO: BitDAO, die nach Assets under Management gemessen aktuell drittgrößte DAO, bezeichnet sich selbst als ein Kollektiv von Entwicklern und Interessenvertretern, das für beide Seiten vorteilhafte Web3-Ökosysteme von Menschen, Produkten und öffentlichen Gütern ermöglicht. Die BitDAO will durch gezielte Investitionen und Token Swaps die Vision eines offenen Finanzwesens und einer dezentralisierten, tokenisierte Wirtschaft vorantreiben. Unter anderem ist der bekannte Investor Peter Thiel als Partner mit an Bord. Die BitDAO hat aktuell 18.200 Mitglieder und verwaltet über 1,8 Milliarden US-Dollar in ihrer Treasury.
Fazit
Trotz der rasanten Entwicklung handelt es sich bei DAOs um neue Organisationsformen, die sich noch in einer frühen Entwicklungsphase befinden und vor einigen Herausforderungen stehen. Ausschlaggebend für das fortschreitende Wachstum von DAOs wird vor allem deren Durchsetzung in der physischen Welt sein.
Langfristig sehen wir hier durchaus Potenzial und sind der Meinung, dass DAOs unser aktuelles Verständnis von den Funktionsweisen einer Organisation neu definieren und disruptives Potenzial mit sich bringen.
Wir gehen davon aus, dass die Ethereum Blockchain die optimale Grundlage für DAOs ist und sich auch weiterhin ein Großteil des Wachstums auf Ethereum fokussieren wird. Die Ethereum Blockchain hat sich bereits über lange Zeit etabliert, sodass DAOs dem Netzwerk vertrauen können und Netzwerkeffekte einsetzen. Unserer Meinung nach wird die zunehmende Nutzung der Ethereum Blockchain durch DAOs einen positiven Einfluss auf den Ether-Preis haben. Weitere Informationen zu unserer Investment-Hypothese zu Ethereum findet ihr hier: https://10xdna.com/de/expertise/ethereum/
Über den Autor
Die 10xDNA-Research Analysten bewerten Unternehmen anhand ihres Potenzials auf exponentielles Wachstum. Dabei beziehen sie den Markt, die Technologie und weiche Faktoren des Unternehmens wie die Management-Expertise mit ein. Das Team kombiniert tiefgreifendes Technologie- und Produktverständnis mit einschlägiger Finanzmarkterfahrung und hat umfangreiche Erfahrungen bei global angesehenen Organisationen. 10xDNA Capital Partners bietet einen konzentrierten Technologie-Fonds.
Disclaimer
Bei den hier dargestellten Ansichten, Informationen und Analysen handelt es sich um eine Werbemitteilung, die nicht den gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unvoreingenommenheit einer Anlageempfehlung oder Anlagestrategieempfehlung genügt und nicht der Darstellung des Arbeitgebers des Autors entspricht. Auch die Auswahl der Wertpapiere und sonstigen Finanzinstrumente dient ausschließlich Informationszwecken und stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich Ihre selbstständige Anlageentscheidung erleichtern und ersetzt keine anleger‐ und anlagegerechte Beratung. Bitte beachten Sie, Wertpapiere und sonstige Finanzinstrumente unterliegen Kursschwankungen und anderer Risiken, die sogar zum Totalverlust ihres Anlagebetrages führen können. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.