Berlin/Frankfurt – Wucherende Bürokratie und Arbeitskräftemangel: Der Standort Deutschland steht am Scheideweg – jetzt schlagen Handelskammertag und die staatliche KfW-Bank Alarm. Die Industrie verliere das Vertrauen in den Staat, so ein Thesenpapier des DIHK. Und eine KfW-Studie sieht massive „Wohlstandsverluste“ kommen. Ein Hoffnungsschimmer: Not kann erfinderisch machen.
„In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass unser Staat vielfach nicht hinreichend handlungsfähig, in jedem Fall aber nicht schnell genug ist“, heißt es in dem am Samstag veröffentlichten Papier des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), wie die SZ berichtet.
Das DIHK sieht demnach die Substanz gefährdet: verlässliche und transparente Behörden, sichere Energieversorgung, gute Bildung, ausreichende Fachkräfte sowie gute Verkehrsinfrastruktur – diese 5 Vorteile hätten den deutschen Wirtschaftsstandort immer ausgezeichnet. Nun gingen sie verloren.
Auflagen und Vorschriften rigoros streichen
Ein Kernproblem ist die überbordende Bürokratie. Anhand von konkreten Beispielen zeigt das DIHK-Papier laut SZ, wo der Staat bei Vorschriften und Auflagen streichen könnte.
– Meldezettel in Hotels: Sie würden nicht gebraucht, so der DIHK – auf das Ausfüllen könnte man verzichten.
– Deadlines bei Verwaltungsverfahren: Versäumt die Behörde den Bescheid rechtzeitig zu bearbeiten, solle das Anliegen als genehmigt gelten.
– Verzicht auf Einzelgenehmigungen bei standardisierten Produkten: Etwa bei Windrädern, Solaranlagen oder Mobilfunkmasten.
Vergangene Woche hatte bereits der er Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gravierende Probleme am Standort Deutschland benannt, insbesondere Energiekosten und Bürokratie.
Endlich Hürden für Frauen und Zuwanderer abbauen
Zudem gefährdet die Fachkräftemisere den Standort. Vor massiven „Wohlstandsverlusten“ warnen die Ökonomen der Förderbank KfW, meldet n-tv.de. Schrumpfendes Arbeitskräftepool und schwache Zuwächse der Produktivität – diese Kombination sei eine einzigartige Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg, sagt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib.
3 Gegenmaßnahmen empfiehlt die KfW-Bank laut Bericht: Erstens gelte es, mehr Menschen in Deutschland in Arbeit zu bringen. Zum Zweiten müsse Deutschland eine größere Zahl Fachkräfte ins Land locken und drittens gehen es darum, die Arbeitsproduktivität zu verbessern.
Die KfW schlägt etwa konkret vor, Hindernisse für die Berufstätigkeit von Frauen abzubauen. So solle der Gesetzgeber das Ehegattensplittung reformieren. Um qualifizierte Zuwanderung anzukurbeln, empfiehlt die KfW frühzeitige Deutschkurse und leichtere Anerkennung von Abschlüssen.
Demografische Falle als Innovationsanreiz
„Die demografische Falle schnappt zu“, kommentiert Moritz Kraemer, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg, die Fachkräftemisere in einer am Freitag veröffentlichten Analyse. Durch das Altern der Bevölkerung verliere der Arbeitsmarkt künftig eine halbe Million Menschen pro Jahr.
Folgen der demografischen Verschiebungen seien etwa geringeres Wachstum, höhere Inflation (Lohndruck durch Arbeitskräftemangel), Belastung der öffentlichen Finanzen (Gesundheitssystem). Wie sich die Bevölkerungspyramide ändert, zeigt eine animierte Grafik des Statistischen Bundesamts.
Ein Hoffnungsschimmer: LBBW-Chefvolkswirt Kraemer sieht in der chronische Arbeitsknappheit auch Innovationsanreize – nach dem Motto „Not macht erfinderisch“. Dies könne dazu führen, dass die Produktivität der Beschäftigten wieder stärker steigt, nach Jahren der gedämpften Zuwächse.


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