Berlin – Grundsteuererklärung: Viele haben sich in den vergangenen Monaten durchgekämpft. Alles Makulatur? Zumindest das Bundesmodell, dem 11 Bundesländer folgen, steht in der Kritik. Nun hat der Augsburger Verfassungsrechtler Gregor Kirchhof im Auftrag von Steuerzahlerbund und dem Eigentümerverband Haus & Grund das Gesetz in einem Gutachten durchgecheckt. Sein Urteil: verfassungswidrig!
Mit Musterklagen wollen die beiden Verbände nun gegen das Gesetz vorgehen. Es sei offensichtlich, dass die neue Grundsteuer so nicht funktioniere, sagt Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler. Haus-&-Grund-Chef Kai Warnecke ergänzt: „Zu kompliziert, intransparent und ungerecht!“
Einen Konstruktionsfehler sieht Experte Kirchhof schon bei den Zuständigkeiten für die Gesetzgebung. Denn mit der Verfassungsreform 2019 habe sich die Gesetzgebungskompetenz geändert. Dem neuen Grundsteuergesetz liege eine überholte Kompetenzverteilung zugrunde.
Bodenrichtwerte sind oft nicht vergleichbar
Hauptkriterium beim Bundesmodell sei der Wert von Grund und Boden. Die Grundsteuer nähere sich so der Einkommenssteuer an, obwohl beide sich laut Grundgesetz unterscheiden müssten. Zudem schaffe der Bund kein eigenes Bewertungssystem, wie vom Verfassungsgericht gefordert.
Die Bodenrichtwerte verstoßen nach Ansicht des Gutachters gegen den Gleichheitsgrundsatz. Eine begehrte Wohnlage wie Berlin-Wannsee hatte am 1. Januar 2022 einen Bodenrichtwert von 1.500, die weniger attraktive Gegend Neukölln komme aber auf 3.200 – das passe nicht zusammen.
Gutachten befürchtet Rechtsschutzlücke
Zudem berücksichtige das Bundesmodell dem Gutachten nach individuelle Merkmale der Grundstücke nicht ausreichend – etwa Baulasten, Mängel oder Denkmalschutz. Der Fehler sei, dass das Bundesmodell sich nicht zwischen individueller Bewertung und Pauschalierung entscheide.
Schließlich befürchtet der Gutachter eine Rechtsschutzlücke. Denn die Grundlagen-Bescheide werden schon bestandskräftig, noch bevor die Steuerhöhe überhaupt feststehe. Das sei erst der Fall, wenn die Gemeinden die Hebesätze bestimmten.
4 vorbildliche Modelle – Kirchhof rät zur Übernahme
Die Bewertung nach dem Bundesmodell belastet die Eigentümer doppelt so stark wie die Landesmodelle von Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen – da ist sich das Gutachten sicher. Bereits im Dezember hatte Verfassungsrechtler Kirchhof geraten: Einspruch einlegen!
Was heißt das für die 11 Länder, die auf das Bundesmodell vertraut haben? Ihnen rät das Gutachten, schnellstmöglich eines der Grundsteuersysteme von Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen aufzugreifen. Das würde Steuerzahler aber auch Verwaltung, Gerichte und Steuerberater entlasten.
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