Die Chancen liegen 2024 vor allem an den Aktienmärkten – davon ist Folker Hellmeyer überzeugt. Der Grund: die Unternehmen profitieren davon, dass die globale Wirtschaftsleistung nominal um 8 Prozent wächst. Im Jahresausblick der ftd.de-Formats „Der Hellmeyer der Woche“ analysiert der Netfonds-Chefvolkswirt, was Anleger 2024 von Aktien, Märkten und Geopolitik erwarten können.
Ein positiver Impuls für die Weltwirtschaft sei möglich, wenn sich beim Krieg Russlands gegen die Ukraine eine diplomatische Lösung abzeichne, meint Hellmeyer. Dann könne die globale Wachstumsprognose 2024 des Internationalen Währungsfonds von real 2,9 Prozent übertroffen werden.
Asien und USA mit guten Wachstumsaussichten
Das Kraftzentrum der globalen Wirtschaft sieht der Ökonom weiterhin in Asien. Ein Wachstum um die 5 Prozent sei dort zu erwarten. Zudem verstärke sich die Zusammenarbeit im globalen Süden, beispielsweise durch das BRICS-Format. 2024 werde diese Region eine starke Rolle spielen.
In den USA werde das Leitzinsniveau die Konjunktur etwas bremsen, auch sei die Haushaltslage prekär, und rund um die Präsidentenwahl gebe es Unsicherheiten. Allerdings betrieben die USA mit dem IRA-Programm aktive Investitionspolitik. Hellmeyer sieht ein Wachstum um die 1,5 Prozent.
Europa hat Nachteile – Deutschland muss umsteuern
Europa hingegen habe strategische Nachteile, unterstreicht der Wirtschaftsexperte. Hauptproblem seien die ungeklärte Energiestrategie und die Preisnachteile bei diesem Thema – etwa im Vergleich zu den USA. Das dämpfe Europas Wachstum. USA und China ziehen dagegen Investitionen globaler Unternehmen an.
Absehbar werde Deutschland auch 2024 Schlusslicht sein – 0,5 Prozent Wachstum lautet Hellmeyers Prognose. Er diagnostiziert einen Vertrauensverlust in den Standort und die Politik, der Investitionen verhindere. Ein Umsteuern um 180 Grad sei nötig, Richtung Leistungsprinzip und Energiesicherheit.
Globale Zusammenarbeit wichtig für Deutschland
Die Realitäten in der Welt haben sich verändert, betont Hellmeyer. Der Anteil des Westens an der Weltwirtschaft habe 1980 bei 80 Prozent gelegen – heute entfielen 70 Prozent auf den globalen Süden, der sich weiter integriere. Dort würden zudem die sensiblen Rohstoffe kontrolliert.
Gerade für Deutschland sei eine funktionierende globale Welt wichtig. „Wir importieren Güter und veredeln sie, um sie dann am Markt zu verkaufen“, so beschreibt der Volkswirt das deutsche Geschäftsmodell. Andere Länder seien anders aufgestellt, etwa Griechenland mit dem Tourismus.
Leitzinsen: sinkende Inflation eröffnet Spielräume
Von Inflationsspitzen um die 10 Prozent sind die USA und Europa runter, der Energiepreisschock ist vorbei. Mit Zinsanhebungen auf 5,5 (USA) beziehungsweise 4,5 Prozent (Euroraum) haben die Notenbanken die Teuerung bekämpft. Was bleibt, ist eine Kerninflation von 3 bis 3,5 Prozent.
Das eröffne Spielräume: Sinkende Leitzinsen stehen 2024 auf der Agenda. Jedenfalls wenn es nicht zu geopolitischen Verwerfungen kommt, wie Hellmeyer hinzufügt. Die Zinswende werde in den USA am stärksten ausfallen, und am frühsten beginnen. Der Euroraum werde mit geringerem Tempo folgen.
Heißt konkret: Ab Mitte des Jahres könnte die Europäische Zentralbank mit Zinssenkungen beginnen, schätzt der Ökonom. 0,5 bis 0,75 – in diesem Rahmen werden die Euro-Leitzinsen absehbar sinken. In den USA hingegen könnte es schon im 2. Quartal los- und etwa 1 bis 1,5 Prozent runtergehen.
Euro-Dollar-Kurs – die etablierte Bandbreite hält
Das Verhältnis der Währungen Euro und US-Dollar sei nicht völlig frei, sondern politisch bedingt, betont Folker Hellmeyer. Es gehe um Finanzstabilität. Seit Mitte 2022 habe sich eine neue Bandbreite von 0,95 bis 1,15 US-Dollar etabliert, die angestrebt werde. „Ich erwarte, dass die auch 2024 Stand hält.“
Vieles hänge vom Krieg in der Ukraine ab: Zeichne sich eine diplomatische Lösung ab, werde das den Euro stärken, so der Experte. Schon jetzt gebe es Unterstützung für den Euro bei 1 bis 1,02 US-Dollar. Spiele die Geopolitik mit, sehe er Potenzial, „dass wir die die Parität nicht nachhaltig unterschreiten.“
Aktien 2024: Unternehmen sind reale Werte!
Die Aktienmärkte haben den Anlegern im 2. Halbjahr 2023 Freude gebracht. „Grundsätzlich erwarte ich das – unter Schwankungen – auch für 2024“, sagt Hellmeyer. Denn die Weltwirtschaft werde 2024 nominal um 6 bis 7 Prozent wachsen, das spiegele sich in den Bilanzen der Konzerne.
Korrekturen an den Aktienmärkten von 1.200 bis 1.500 Punkten seien „jederzeit drin“, aber technischer Natur. „Es ist kein Trendwechsel in meinen Augen, ganz im Gegenteil.“ Das weltweite Wachstum sei robust, und bei globalen Konzernen müsse man das globale Prisma anlegen.
Bei Aktien handle es sich um reale Werte: Konzerne wie Siemens haben Krisen überstanden, ihren Wert gesteigert, Inflation ausgeglichen. Das westliche Finanzsystem werde herausgefordert. Daher seien realen Werte wie Unternehmen attraktiver als Anlagen in reinen Geldwerten wie Termingelder.
DAX mit Potenzial – tiefe Bewertungen in der Industrie
Für den deutschen Leitindex DAX sieht der Ökonom ein Potenzial von 5 bis 7 Prozent – ausgehend von den Höchstkursen 2023. Das wäre ein Kursanstieg von 1.000 bis 1.200 Punkten. Unter anderem würden tiefe Bewertungen im industriellen Sektor diesen Ausblick rechtfertigen, meint er.
US-Aktien 2024: führend bei KI und Technologie
Positive Prognose auch für die USA: „Das Thema KI und Technologie wirkt dort ganz anders“, betont Hellmeyer. In diesem Bereich sei Europa ein Entwicklungsland. Auch bei den US-Aktienmärkten sieht er ein Potenzial von 7 Prozent. Die US-Wirtschaft laufe etwas besser als die Europäische.
Aktienmärkte Asien: niedrige Bewertungsniveaus
Chancen sieht der Wirtschaftsfachmann auf den asiatischen Aktienmärkten. Hier seien die Kurse in den letzten 2 Jahren gefallen, die Bewertungsniveaus derzeit niedrig. „Diese Märkte haben Aufholpotenzial.“ Angesichts des soliden Kapitalstocks sei ein Anteil von 5 bis 10 Prozent des Vermögens vertretbar.
Gold als Geldanlage bleibt auch 2024 en vogue
Gold gehört ins Portfolio – da ist sich Folker Hellmeyer sicher. Die Währung mit 5.000-jähriger Geschichte habe sich immer in Krisen bewährt. „Gold ist das einzig wahre Geld“ laute ein Zitat von J. P. Morgan. Wer 2001 Gold für 250 US-Dollar je Unze erworben habe, könne sich heute freuen.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Westens schwinde. 2023 habe es große Edelmetallkäufe durch Zentralbanken gegeben. „Gold und Silber bleiben en vogue“, so Hellmeyer – aber der Kurs werde schwanken. Anleger sollten langfristig denken. 5 bis 10 Prozent Gold im Depot seien angemessen.
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